Sie waren 1981 der Erste, der eine pflanzliche Fleischalternative auf den Schweizer Markt brachte. Warum?
Walter Dänzer: Ich hatte ein paar Jahre davor ein Schlüsselerlebnis. Für meine Dissertation zum Thema Förderung des Biolandbaus besuchte ich verschiedene Bauern. Dabei erlebte ich einmal hautnah mit, wie einer Kuh das frischgeborene Kalb weggenommen wurde und wie sie herzzerreissend danach schrie. Der Bauer verteidigte das nicht, sondern sagte nur: ‹Ihr wollt das ja so!› Seit diesem Tag esse ich kein Fleisch mehr. Und nach und nach liess ich alle tierischen Produkte auf der Seite – ein Pudding-Vegetarier zu werden, der sich von viel Joghurt ernährt, war ja keine Alternative. Ich suchte nach neuen Möglichkeiten für eine Welt, in der man die Tiere nicht mehr quälen muss.
Vermissen Sie nicht ab und zu einen guten Käse oder ein Stück Fleisch?
Nein, überhaupt nicht. Es fehlt einem gar nichts als Veganer. Für das nötige Vitamin B12 reicht einmal jährlich eine Spritze. Und dass man mit unserem Tofu genug Eisen zu sich nimmt, beweist niemand besser als das Marathon-Kader, das wir in den 1980er-Jahren gesponsert haben. Eine Läuferin hatte immer gleich gute Eisenwerte wie sonst, wenn sie unsere Produkte ass. Im Ausland hingegen war es für sie schwieriger. Tofu ist nicht gleich Tofu.
Macht es Ihnen nie Mühe, dass Sie an öffentlichen Essen immer eine Extrawurst brauchen?
Nein, ich habe wohl das nötige Selbstvertrauen, um für meine Überzeugungen geradezustehen.
Ist Veganismus ein Stück weit auch
eine Ersatzreligion?
Nein, für mich ist Veganismus eine ethische Entscheidung. Ich habe mich aus Mitleid mit der Kuh, einem hoch entwickelten Säugetier, dafür entschieden. Das ist eine persönliche Sache und mit meinen Soyana- Lebensmitteln wollte ich es anderen Leuten ebenfalls ermöglichen, sich ganz pflanzlich zu ernähren.
Wenn man sich den aktuellen Trend anschaut, schwingt bei Veganern oft Kapitalismuskritik mit. Sie sind von Haus aus Ökonom – bei Ihnen auch?
Nein, im Gegenteil. Unser System, das nun mal bis zu einem gewissen Grad kapitalistisch ist, hat mir die Freiheit gegeben, meine neuen Lebensmittel auf den Markt zu bringen und zu verbreiten. Gleichzeitig stehe ich für die kleinen Bioläden ein, denn sie haben mir zum Durchbruch verholfen.
Inwiefern?
Anfangs bin ich mit einem Handwagen in die Bioläden und habe meine Lebensmittel so den Leuten zum Probieren gegeben. Die Bioläden stellten mir für meine Präsentationen ein Tischchen auf. So machte Soyana eigentlich von Beginn weg Gewinn.
Stehen Sie heute noch persönlich am Degustationstisch?
Nur noch selten. Aber ich esse von jedem neuen Lebensmittel ein halbes Kilo aufs Mal, bevor es auf den Markt kommt. Das ist sozusagen der Qualitätscheck. Wird mir davon schlecht, ist die Neuheit gestorben.
Versuche, Soyana-Produkte in Migros oder Coop zu verkaufen, sind gescheitert. Warum?
Das liegt daran, dass die grossen Ketten kein Interesse an Pionieren haben. Für sie wird ein Produkt erst interessant, wenn es garantiert Umsatz generiert. Unser Tofu war für kurze Zeit in Zürcher Coop-Filialen erhältlich. Doch als wir darauf für ein gratis Friedens-Konzert im Hallenstadion warben, beendete man die Zusammenarbeit mit uns.
Oft wird kritisiert, dass vegane Produkte einen schlechten ökologischen Fussabdruck haben. Woher kommen die Sojabohnen für Ihre Produkte?
Die Biosojabohnen kommen aus Norditalien, Südösterreich oder Südungarn. Der ökologische Fussabdruck unserer Produkte ist also definitiv besser als der von tierischen Produkten.
Zwischen Veganern und Fleischessern gibt es oft Spannungen und Provokationen. Wie gehen Sie mit Anfeindungen um?
Verständnisvoll. Fleischesser fühlen sich teilweise verunsichert von einer veganen Lebensweise und reagieren aggressiv. Dabei würde ich nie jemandem vorschreiben, wie er sich zu ernähren hat. Soyana wird immer wieder attackiert und wir reagieren einfach tolerant. Ich verstehe, dass eine alternative Ernährungsart provoziert, denke aber auch, dass heute jeder frei ist, selbst zu wählen, was er isst.
Auch aus der veganen Szene mussten Sie einen Dämpfer hinnehmen: Die Zürcher Messe «Vegana» hat ihre Firma nachträglich ausgeladen. Was steckt dahinter?
Man hat uns den zugesagten Stand wieder aberkannt, weil unser Unternehmen auch eine spirituelle Komponente hat. Das ist zumindest das, was wir auf inoffiziellem Weg erfahren haben. Wie sollen wir auf eine solche Diskriminierung reagieren? Dass ich und alle im Soyana-Team ein modernes Leben mit Meditation, Sport und höheren Idealen führen, sehen wir als schönen Fortschritt und für Konsumenten als Qualitäts-Vorteil. Ein spirituelles Leben ist ein weiterer Schritt in der Entwicklung eines Menschen. Ob und wann es Zeit ist dafür, entscheidet jeder selbst. Deswegen sollte man nicht aus einer veganen Ausstellung ausgeschlossen werden. Damit man uns nun doch kennenlernen kann, bieten wir Betriebsführungen durch die neue Produktion in Schlieren an.
Einige Veganer vertreten ihre Haltung recht radikal. Enttäuscht Sie diese Entwicklung?
Nein, sie ist auch verständlich. Wenn jemand beginnt, sich für vegane Ernährung einzusetzen, hat er erst mal einfach das Ideal, Tiere zu schützen. Das ist der erste Schritt in der Bewusstseinsentwicklung, die dann weiterführt zur Meditation, Selbsterkenntnis und Selbstverbesserung. Aber wenn man diese nicht weiterführt und in einen grösseren Zusammenhang bringt, wird das Essen selbst zum Inhalt und entsprechend stark reguliert. Das ist dann tatsächlich so ähnlich wie in einer Religion.
Sie hatten deshalb zuerst auch Mühe mit dem Begriff vegan.
Ja. Bevor sich der Begriff vegan in der Schweiz etabliert hat, sind darunter in Deutschland gewalttätige Gruppen in Aktion getreten und haben zum Beispiel die Scheiben von Metzgereien eingeschlagen. Deswegen wollte ich den Begriff vegan ursprünglich auch nicht verwenden. Denn darum geht es nicht. Wir wollen ja keinen Bürgerkrieg ums Essen anzetteln. Jeder Mensch sollte frei sein, selbst herauszufinden, was das Beste ist für ihn.